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  • marktalerautor

Fehler in der Matrix

Der Fehler in der Matrix war so offensichtlich. Wieso hatte vor mir niemand den Glitch bemerkt?


„Ich muss also Fotos nach digitalen Maßstäben – biometrisch –, machen, diese aber analog ausdrucken?“ „Richtig.“ „Und anschließend werden diese analogen Fotos für den Pass wieder digitalisiert?“ „Das ist korrekt.“


Also gehe ich zu einer sogenannten Fotobox vor einer Supermarkt-Tiefgarage, um analoge Fotos zur Digitalisierung meines Gesichts zu erstellen. Dort der nächste Glitch: Zahlung nur in bar möglich. Keine EC-Karte, kein Apple Pay, keine Bitcoins. Und der Automat akzeptiert nur 5 Euro-Scheine. Die Bilder kosten 10 Euro. Es wird also erwartet, dass ein normaler Mensch immer zwei fünf Euro-Scheine parat hat. Gut, Münzen werden auch genommen. Der Mensch von heute hat ja immer einen Sack voll Silber-Groschen geschultert.


Ich spähe hoffnungsvoll in meinen Geldbeutel. Ein Fünfer, ein Zehner, ein Zwanziger. Also heißt es vor der Tiefgarage betteln.

„Können Sie zufällig zehn Euro in zwei Fünf-Euro-Scheine wechseln?“

Die erste Person versteht kein Deutsch. Ein Pärchen nimmt Reißaus. Zu detailliert die Forderung. Offensichtlich ein Betrüger. Geldwäscher lieben diesen Trick.

Schließlich ein Treffer. Eine barmherzige Seele, die Bundesdruckerei habe sie selig, kann wechseln.


Der Automat wartet, kennt keine Gnade. Den ersten Schein mag er nicht. Zum Glück gibt es jetzt drei Fünf-Euro-Scheine zur Auswahl. Stopfen, Falten, Glätten. Endlich ist der Automat zufrieden und frisst. Es geht los. Halten Sie den Kopf gerade, lächeln Sie nicht. Keine Sorge, die Mundwinkel bleiben unten.


Dann halte ich die ausgedruckten analogen Fotos für die Digitalisierung meines Gesichts in den freudig zitternden Base-Reality-Händen. Später werden geübte Beamten-Hände die Fotos wieder einscannen und digitalisieren. Um sie dann wieder auf einen Pass zu drucken. Die Fotos sind Reisende zwischen der analogen und der digitalen Welt. Das Multiverse lässt grüßen.


Hauptsache geschafft. Jetzt noch Lebensmittel. Der Einkaufswagen möchte eine Münze. Er ist gnädig, 50 Cent, 1 Euro oder 2 Euro. Ich habe nichts davon. Ich habe noch einen Fünf-Euro-Schein. Meine Seele verlässt kurzzeitig meinen Körper.


„Kann jemand einen Fünf-Euro-Schein kleinmachen?“, rufe ich, während eine glitzernde Träne den Schein benetzt. Die Dame, die mir den Zehn-Euro-Schein gewechselt hat, erkennt mich wieder. Dann klicken die Handschellen. Die Cyber-Polizei. Ich weiß zu viel.

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